Die schwierige Jagd auf die Piraten

Friday, April 24, 2009

NÜRNBERG - Am Strand von Mombasa machen ein paar findige Geschäftsleute Geld mit der Piraterie – und niemand würde ernsthaft auf die Idee kommen, ihnen das Handwerk legen zu wollen. Doch dabei handelt es sich nur um einen Kneipenwirt und seine Mitarbeiter, die in Kenia eine Freiluft-Bar namens «Pirates« aufgebaut haben und Touristen sogar zu bestimmten Tageszeiten – zur Happy Hour – Getränke zu besonders günstigen Preisen anbieten.

Ganz anders sind die Dinge an den Stränden von Somalia gelagert. Einmal ganz abgesehen davon, dass dort nicht einmal die abenteuerlustigsten Touristen Urlaub machen. Und das, obwohl dort in Strandnähe mancherorts der Lebensstandard viel höher ist als in Kenia. Wer dort mit Piraterie Geld macht, meint es bitterernst und schreckt vor Gewalt keineswegs zurück. Was die internationale Gemeinschaft zunehmend erschreckt: Es ist nicht allein die immense Gefahr, die seit Jahren von der somalischen Küste für die Schiffe sämtlicher großer Handelsnationen ausgeht – darunter ist Deutschland eine der größten. Es ist auch der enorme Wohlstand, den sich die Gangsterbanden durch Schiffs-Entführungen und hohe Lösegeld-Forderungen geschaffen haben. Wo früher strohbedeckte Hütten standen, blitzen heute weiße Villen in der Sonne, und wo sich früher arme Fischer mit selbst gezimmerten Holzbooten begnügen mussten, stehen ihnen jetzt modernste Schnellboote, gefährliche Waffen und nagelneue Jeeps zur Verfügung. Auch wenn davon nur ein geringer Teil der Bevölkerung profitiert.

Der FDP-Verteidigungsexperte Rainer Stinner fordert deshalb im Gespräch mit der NZ, diese Lösegeldzahlungen einzustellen: «Denn dadurch wird nur eine Spirale in Gang gesetzt: Die Piraten können sich noch besser bewaffnen, sich schnellere Schiffe leisten und sehen, dass ihr attraktives Geschäftsmodell immer attraktiver wird.« Die Lösegeldzahlungen hätten «nicht dazu geführt, das Piratenproblem zu reduzieren, sondern es zu maximieren«, so der Bundestagsabgeordnete aus München, der gebürtiger Bremer ist und seinen Wehrdienst bei der Marine geleistet hat. Michael Stehr, Piraterie-Experte beim Deutschen Marine Institut (DMI) hält es hingegen für wenig praktikabel, Lösegeldzahlungen von Reedereien verbieten zu wollen. «Ich wüsste keine rechtliche Handhabe dagegen,« sagt er der NZ. Befreiungsaktionen auf hoher See und großen Schiffen, «wo man die Geiseln an ganz verschiedenen Orten verstecken kann«, seien «äußerst schwierig und gefährlich«. Denn es sei nie auszuschließen, dass die Piraten Geiseln auf dem Schiff töten. Trotzdem ist natürlich auch Stehr bewusst, dass die Millionen-Lösegelder nicht nur in Luxusvillen fließen, sondern fatale Folgen haben können. «Dadurch werden kriminelle Strukturen gestärkt, die Ausrüstungen der Piraten werden immer besser und gefährlicher, die Opposition gegen die somalische Zentralregierung wird gestärkt, und der Bürgerkrieg verlängert.« Dennoch hält er es für schwer durchsetzbar, Reedereien dazu zu verpflichten, generell auf Lösegelder zu verzichten. Denn dies könnte bedenkliche Folgen für ihren Ruf haben. «Wer heuert dann dort noch an?« fragt sich der Fachmann, der zum Thema Piraterie bereits im Jahr 2004 ein Buch veröffentlicht hat.

Einig sind sich Stinner und Stehr, dass man die militärischen Maßnahmen gegen die Piraterie kurzfristig weiter verstärken muss. So schlägt Stehr neben den bisherigen Einsätzen auf hoher See «eine enge Seeblockade direkt an den Piratennestern« vor. Konkret sei damit gemeint, dass man an den bekannten Häfen, von denen aus die Piraten in See stechen, Boot für Boot kontrollieren müsse. «So kann man den Kriminellen das Geschäft schwermachen.« Unmöglich werde das Treiben dadurch zwar nicht gemacht, «aber es würde zu starken Verzögerungen führen. Denn die Piraten müssten sich anderswo neue Strukturen aufbauen.« Will heißen: Beziehungen zu Clanchefs und Warlords in anderen Hafenregionen aufbauen und diese in ihre Machenschaften mit einbinden – inklusive der «Abgaben« an diese Mitwisser, die ebenfalls von Lösegeldern profitieren.

Eine andere Möglichkeit ist laut Stehr, bewaffnet an Land zu gehen und die Piratennester auszuheben. Allerdings sei dies mit hohen Risiken für die Zivilbevölkerung verbunden. Stinner sieht zunächst noch erhebliches Potenzial im Atalanta-Einsatz und fordert, diesen «endlich in vollem Umfang« wahrzunehmen. Denn es sei nicht genug, nur den Teil des Mandats umzusetzen, in dem der Begleitschutz von Schiffen vereinbart ist. «Im Mandat ist auch der aktive Kampf gegen die Piraten mit militärischen Mitteln festgeschrieben,« sagt der FDP-Politiker. Und die Erfüllung dieser Aufgabe sieht er momentan noch nicht gegeben. Außerdem verweist er darauf, dass Deutschland das Recht hat, gefangene Piraten vor ein deutsches Gericht zu stellen.

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